Katharina Stoye
Studium Pädagogik und Geschichte (Sek II) an der Uni Duisburg-Essen; studienbegleitenden Weiterbildungen in Tanztherapie sowie in Modernem Tanz/NL. Seit 1997 als Tanz- und Kulturvermittlerin, Dozentin sowie als freie wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin tätig. Seit 2019: Tanz-/Körpertherapeutin (in Teilzeit) im klinischen Setting; seit 2023: Mitarbeit in der AG zum IMK Moderner Tanz
4 Fragen an Katharina Stoye
Prägende Impulse in Bezug auf meine (tanz-)künstlerische Arbeit begegneten mir in der dreijährigen Weiterbildung in Modernem Tanz sowie dem von Sjannie Vos entwickelten Konzept „Dans als bewustwording“, welche ich den Niederlanden absolvierte. Die Bewegungssprache des Modernen Tanzes sowie verschiedene Zugänge zur achtsamen Körperarbeit (Feldenkrais, Yoga, Atemarbeit nach Middendorf) dienten hierbei als Instrument, um sich auf die Suche nach der „inneren Tänzerin“ und nach einem authentischen Ausdruck zu begeben Auch in der sich daran anschließenden künstlerisch-choreografischen Zusammenarbeit im deutsch-niederländischen „Danscollectief Sjannie Vos“ bildete diese Verschränkung von achtsamer Körperarbeit und Improvisation die Basis, um im Austausch aller Kollektiv-Mitglieder zu einer partizipativ gestalteten Choreografie zu finden. Die Zusammenarbeit im Tanzkollektiv mit der Co-Choreografin Uschi ter Veer (Elementarer Tanz e.V./Köln) vertiefte zudem mein Interesse daran, wie im künstlerischen Prozess Musik und Tanz aufeinander wirken. Die damaligen Motive, den Tanz als schöpferische und spirituelle Kraft, aber auch als politische Kraft zu nutzen, schlossen auch an meine freiberufliche wissenschaftliche Tätigkeit im Felde der Kulturgeschichte an und begleiten mich bis heute – im Sinne eines „Erinnerns für die Zukunft“. Tanz erzählt für mich daher Geschichte(n), die zwischen den Zeilen stehen und eine somatisch-intuitive Brücke ins Hier & Jetzt bauen.
Prägend für die Entwicklung meines Vermittlungskonzepts „Somatic.Dialogues – Bewegung trifft Kunst“ war zunächst meine freie Mitarbeit als Museumspädagogin beim Museumsdienst Köln und die damalige Möglichkeit, am Museum Ludwig ein Pilotprojekt mit Kölner Grundschulklassen sowie zwei Lehrer:innen-Fortbildungen durchzuführen zum Thema „Kreativer Tanz im Dialog mit bildender Kunst. Ein Konzept zur ästhetischen Bildung am Lernort Museum“. Auch nach dem Umzug nach Karlsruhe konnte ich dank ministerieller Förderung und innerhalb einer Karlsruher (anthroposophisch orientierten) Kunsttherapie-Ausbildung dieses interdisziplinäre Konzept kontinuierlich und für verschieden Zielgruppen weiterentwickeln. Immer wieder begeistert es mich, Teilnehmenden aller Altersstufen zu vermitteln, wie die leiblich-somatische Erfahrung und der Einsatz kreativer Medien es ermöglichen, Werke der Bildenden Kunst unmittelbar und ganzheitlich zu erschließen und zu einer vertieften Wahrnehmung zu führen – ganz nach dem Motto „Weniger ist mehr“. Nicht wie viele Kunstwerke man betrachtet hat, sondern in welcher Intensität man sie erlebt, macht hier den Unterschied zum gängigen Museumsbesuch. Anders als bei der rein verbal-kognitiv orientierten Vermittlungsarbeit (Seh-/Hörsinn), wurden/werden durch den somatischen Dialog sowohl spielerisch-kreative Zugänge eröffnet als auch vielfältige (teils biografische) Kontextualisierungen in der Kunstbetrachtung möglich. Das schöpferisch-prozesshafte Arbeiten orientiert sich dabei an verschiedenen Stationen: 1) Vom Bildmotiv oder einer Objektgeste in die Bewegung 2) Von der Bewegung in eine individualisierte Gestaltung und in die Reflexion motivisch-biographischer Resonanzen 3) Vom Biographisch-Motivischen in die dialogisch-kreative Interpretation sowie 4) Eine performative Abschluss-Gestaltung als „künstlerischer Kommentar“ auf die Ausgangswerke. Dabei darf dieser performative Abschluss (in Tradition der Bauhausbühne) eine „Versuchsanordnung“ bleiben. Das abschließende Prinzip der „Bühne“ dient primär als Selbst- und (oftmals wertvolle) Lernerfahrung und ermöglicht es somit Menschen mit und ohne Tanzerfahrung daran (freiwillig) teilzunehmen.
Seit der Gründung des „Atelier für TanzKunst. Initiative für Künste im Dialog“ (2020) erlebe ich, wie dieses prozesshafte Arbeiten in Kombination mit Elementen der Selbsterfahrung vielfältig von Menschen mit und ohne Tanzerfahrung genutzt und wertgeschätzt wird.
Ganz aktuell sei hier als Praxisbeispiel das (wissenschaftlich begleitete) partizipative Research-Projekt „BE MOVED – Bewegung trifft Kunst“ genannt, welches mit Unterstützung der STÄDTISCHEN GALERIE KARLSRUHE und dank kommunaler Förderung mit vier Testgruppen im Alter von 15 – 80 Jahren) stattfand
Als sehr frühe Erinnerung, wie ich mein Ich „in der Welt zu Hause“ erleben durfte, taucht immer wieder der Tanz auf: (Noch) ganz frei und spontan auf Schallplatten-Musik bewegend, hüpfend, drehend und mich intensiv spürend in der ganzen Bandbreite musikalisch-atmosphärischer Stimmungen. Kleine „Zeitreisen“, mal in die Vergangenheit, mal in die Zukunft, aber vor allem: durch den Leib (Körper/Seele/Geist) ganz im Hier und Jetzt und damit „in der Welt verankert“. Die Freude daran, inneren Bildern und musikalischen Impulsen Raum zu geben sowie den freien und authentischen Bewegungsausdruck zu genießen, bleib ein beständiger Begleiter durch alle Tanzstile und Bewegungsformungen hinweg – gewiss auch ein „innerer Antreiber“, um sich dann studienbegleitend auf Suche zu begeben nach Ausbildungsmöglichkeiten im Felde der (damals in Deutschland noch wenig bekannten) Tanz- und Körpertherapie.
Bis heute bleibt der Tanz für mich ein Weg, mich ganzheitlich in mir selbst zu spüren und mich vielfältig-hinspürend in den Dialog mit der Welt zu begeben mit dem Ziel, sich immer wieder neu und auf selbstbestimmte Weise zu „verorten“, zu „verankern“. Kunst & Natur sind weitere langjährige „Ankerpunkte“, um die Welt im Außen wie auch in Resonanz im Innen wahrnehmen zu dürfen. Eine Art Kontinuum, das es mir (immer wieder) ermöglichte, die Welt – trotz und mit Allem, was sie beherbergt und hervorbringt – als „Gefährtin“ anzunehmen.
Auch in der Begegnung mit den Teilnehmenden spielt das dialogische Prinzip eine zentrale Rolle – sei es im Felde der Kulturvermittlung, der Weiterbildung, der Selbsterfahrung oder in meiner Arbeit als Tanz-/Körpertherapeutin mit Patient:innen im klinischen Setting. Einerseits gibt eine Art von „Drehbuch“ einen inhaltlichen Rahmen wie auch eine prozesshafte Struktur vor (= Framing), andererseits ist es mir seit vielen Jahren ein Anliegen, in den diversen Vermittlungsformaten auch genug Freiraum anzubieten, um eigene Impulse und Themen situativ einbringen zu können.
Über die Rhythmisierung und den Wechsel zwischen einerseits verbaler Kommunikation (regelmäßige Ankommensrunden, Blitzlichtrunden, Notizphasen und kreatives Schreiben; Reflexionsrunden) sowie andererseits non-verbaler Kommunikation, spielerisch-kreativem Explorieren und künstlerischem Gestalten werden Erfahrungs- und Resonanzfelder geschaffen, um sich im Ich-Du-Wir ausgewogen zu begegnen.